Es ist August und mein Blick fällt diesen Morgen erneut auf den alten Kirschbaum auf der großen Wildblumenwiese hinter dem Haus. Das Licht funkelt und glitzert, kann aber kaum darüber täuschen, dass es tatsächlich schon ein wenig herbstelt. Und richtig: Ganz rechts im Baum haben sich bereits zwei, drei Blätter gefärbt. Oder sind diese roten Blätter etwa weitere Anzeichen von Alterschwäche? Immerhin kümmert sich seit Jahren niemand so recht um den Baum. Oben herum ist er schon ziemlich kahl und auch in der Mitte fehlen einige Äste. Die Waage stimmt nicht mehr.
Auch ein alter Kirschbaum hat ein Recht auf Pflege
Die Eigentümer haben die große Wildblumenwiese schon seit Jahren verpachtet und den Kirschgarten darüber roden sie derzeit rigoros ab. Es ist ein Jammer, dem bösen Treiben zuzusehen. Und warum passiert das? Weil der alte Herr weit über 90 und bettlägrig ist und die Erben kein Interesse haben. Zumindest nicht am Erhalt des Kirschgartens. Macht ja auch alles viel Arbeit. Arbeit, die sich für die Erben offensichtlich nicht lohnt. Schon gar nicht für Leute, die vor 16 Jahren den halben Lindelberg als sündig teure Baugrundstücke verkaufen konnten – meines war auch dabei.
Doch leider schützt viel Geld nicht vor schlechten Charakter und macht aus fränkischen Kirschbauern auch keine vernünftigen Landschaftspfleger. Noch nicht einmal weitsichtige oder einsichtige Landschaftserhalter. Die Kettensäge spricht ihre eigene deutliche Sprache. Und das Gift, mit dem sie Hof und die Flächen drumherum unkrautfrei halten, leider auch. Rücksicht auf meine angrenzenden Pflanzen wird dabei leider auch nicht genommen.
Ich tröste mich derweil täglich mit dem frühmorgendlichen Blick auf den alten Kirschbaum. Mal glitzert und funkelt er, mal nicht, mal steht er im Nebel, mal trägt er ein goldenes, mal ein grünes, mal gar kein Blätterkleid und manchmal, eher selten, trägt er kleine Hauben aus Schnee und Eis. Ein Universum für sich und ein Wunder der Natur. Hoffentlich bleibt er mir noch lange erhalten.